Das Anti-Tourismus Dilemma oder: Die Reise am Fließband.

Mir ist auf meiner bisherigen Reise eine Sache aufgefallen, die mich immens stört. Ich habe sehr viele neue Menschen kennen gelernt, manche mochte ich gerne, manche mochte ich weniger gerne – so ist das nunmal. Aber eine Sache begegnet mir regelmässig. Ich weiß nicht genau wie ich es ausdrücken soll, oder ob es dafür einen Begriff gibt. Ich versuche es zu erklären: 

Ich treffe regelmäßig Menschen, die eine offensichtliche Abneigung gegen Touristen haben und das verstehe ich nicht. Diese Menschen legen für mich eine unfassbar ekelhafte Doppelmoral an den Tag. Abends saufen sie die Poolbar leer und versuchen so viele Sexualpartner wie möglich zu finden um dann am nächsten morgen beim Frühstück groß davon zu berichten. Einen Augenblick später beschweren sich die selben Leute darüber, dass es sie ankotzt, dass sie die Kulturen der jeweiligen Länder nicht kennen lernen, da sie nur von Touristen umgebeben sind. Hä? 

Ich muss sagen, ich bin auch fast ausschließlich in Backpacker Hostels für den schmalen Taler und treffe dort natürlich andere Backpacker, aber stört mich das? Nein. Muss ich mich außerhalb des Hostels mit ihnen abgeben? Nein! Und da liegt der Unterschied. Natürlich triffst du nur Touristen, wenn du nur Touristentouren buchst! Logisch, oder? 

Ich gebe zu, dieser Massentourismus in Thailand nervt mich ebenfalls, aber ich versuche mich diesem zu entziehen. Abgesehn davon, dass ich für bezahlte Touren und Guides absolut keinen Cent übrig habe, würde ich es vermutlich auch nicht tun, wenn ich das Geld hätte. Denn ich vermeide tatsächlich andere Touristen und erkunde lieber die Gegend alleine. 

Das hat in erste Linie was damit zu tun, dass ich fotografisch gesehen keinen Mehrwert vom Bild habe, wenn 1000 Menschen aufm Berg, vor dem Tempel oder wo auch immer stehen und zweitens benehmen sich 80% der Touristen respektlos und wie die größten Arschlöcher – entschuldigt den Ausdruck. Aber es ist einfach die Wahrheit. In Thailand merke ich das besonders extrem. Vietnam war wundervoll ruhig und respektvoll, aber Thailand ist für mich eine Mischung aus der Schinkenstraße und der Reeperbahn. Sauftourismus, Sextourismus und von „Kultur“ kann hier nicht die Rede sein. 

Aber hey, jeder ist bekanntlich seines eigenen Glückes Schmied. Man kann aus jeder Situation das beste machen. Du hast keine Lust auf andere Touristen? Zieh alleine los. Du hast keine Lust auf Massentourismus? Dann hör auf genau die Routen abzuklappern die in tausenden Backpackerblogs als „Geheimtipps“ angepriesen werden…merkste selber, dass die so geheim nicht sein können, oder? Und wenn du keine Lust auf Sauftourismus hast, dann verbring den Abend halt am Lagerfeuer am Fluss, statt in den angesagten Kneipen des Ortes an dem du gerade bist!

Ich bin jetzt zwei Wochen in Thailand und muss sagen, wenn ich auf etwas keine Lust habe, mache ich das nicht. Viele Leute mit denen ich spreche verstehen das nicht. Dann kommen Sätze wie „Aber das ist doch ein absolutes Must-See “ oder „Wenn du das nicht anschaust wirst du es auf jeden fall später bereuen!“ Und ratet mal. Ich habe nichts bereut. 

Denn was mir ebenfalls aufgefallen ist: Niemand dieser ganzen Pseudo-Spirituellen-Rucksackreisenden erlebt einen Moment. Sie sind getrieben von Instagram Stories und Social Media Süchten um der ganzen Welt zu Hause zu zeigen wo sie grade ja ach so tolles sind. Man rennt aufs Handy blickend durch Tempel und Schluchten ohne auch nur einmal den Blick vom 6,5 Zoll großen Travelbuddy zu reissen. 

ch habe bewusst kein mobiles Internet, weil ich eben genau so nicht sein will. Ich drehe meine Videos, mache meine Bilder (tatsächlich mit Verstand und ohne Selfie.) und veröffentliche die besten. Aber ich kann verdammt nochmal sagen, dass ich all die Sachen mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Und nicht durch meine Handykamera, denn das kann man auch von Deutschland aufm Sofa machen – sich die Stories der anderen anschauen. 

Ich kann in meiner Hängematte liegen und mir den Sonnenuntergang anschauen während in der selben Zeit hunderte Leute für wenige Augenblicke am selben Ort waren und Selfies gemacht haben und dann direkt wieder verschwanden. Tut ihr das wirklich nur für euer Social Media? Braucht ihr diesen Beweis für eure Freunde und Familie um dort gewesen zu sein? Sind euch die Klicks und Likes wichtiger als sich wirklich mal hinzusetzen ne Stunde lang nicht aufs Handy zu starren um zu schauen wo andere Reisende sind um potenzielle neue Orte zu finden, die dann euer „Place-to-be“ sind? 

Ja, liebe Leser, es ist Reisen am Fließband. Man rennt von A über B nach C, bleibt wenige Sekunden dort, macht Selfies für die eigenen Kanäle und verschwindet wieder. Man muss anscheinend so viel wie möglich in so kurzer Zeit wie möglich sehen, um dann am besten damit dazustehen bei der Fangemeinde. Aber ist es das wirklich wert? 

Ich habe viele Menschen kennen gelernt auf der Reise, die ausgelaugt und kaputt waren vom Hardcore Sightseeing. Aber „weniger“ zu machen ist keine Option. Wenn ich den Leuten abends berichte, dass ich tagsüber in der Hängematte lag und einen Film angeschaut habe, weil ich müde vom Vortag war klappen Münder herunter und verständnislose Blicke mustern mich von oben bis unten. Eine Mimik zwischen Abneigung und Bewunderung. „Wie kannst du nur?“ 

Ja, wie kann ich nur das tun worauf ich Lust habe? Wie kann ich nur nicht genau so sein wie die ganzen Fließbandbackpacker und wie kann ich nur wie kann ich nur. Aber anscheinend bin ich ziemlich gut darin das zu tun was ich will ohne mich dafür zu rechtfertigen. 

Die meisten Leute die ich kenne haben eine Kamera dabei. 80% wissen leider nicht wie sie damit umgehen sollen, aber das ist nicht mein Bier. Viele machen allerdings nach dem Fotografieren auch ein paar Selfies und ich frage gelegentlich nach warum. Die Antwort ist immer die selbe: „Das ich weiß, dass ich da war.“….. HÄ?! Du musst ein Selfie mit deinem Handy machen um zu wissen, dass du da warst, weil die tausend Bilder die du mit deiner Canon 500D mit Kit-Objektiv im Automatikmodus (seien wir mal ehrlich…da ist das aktuelle Smartphone 10 mal besser…), die du dir eh nie wieder anschaust nicht reichen?! Puh… Ich glaube ich habe bisher 2 Selfies gemacht. 

Ich habe jedoch registriert, dass auf meinem Instagramchannel Bilder mit mir selbst drauf mehr Zuspruch generieren, was ich absolut nicht nachvollziehen kann. Ich denke aber, dass ich damit leben und mich arrangieren muss und gelegentlich mal ein Bild von mir posten muss, da es anscheinend den Leuten besser gefällt, wo wir beim Hauptthema sind auf das ich eigentlich hinaus will: Die Generation Instagram hat keinerlei Qualitätsanspruch an Bilder. 

Ich sitze jeden Abend mindestens 2 Stunden vorm Rechner um Bilder zu bearbeiten und zu sichten, hole meistens das maximale aus meinem Content raus um dann am Ende weniger Likes zu kassieren als die süße Blondine, die ein farbtechnisch anstrengendes und völlig katastrophales Selfie am Meer macht. Ich sitze 4 Stunden an einem Ort um das perfekte Licht abzuwarten um dann am Ende gegen eine hübsche Brünette anzustinken die ihre Beine am Pool fotografiert mit dem Titel „Traveler 4 Life“. 

Aber genau das ist der Unterschied. Ich mache das für mich. Für niemanden sonst. Und ich bin anscheinend mutig und bekloppt genug das nicht zu ändern und auf Likes, Aufmerksamkeit und Geld durch Media Einnahmen zu verzichten weil ich auch weiterhin Ich selbst bleiben werde. 

One, 

Chris